Montag, 3. Oktober 2011
Grusel, Grauen, Gänsehaut! – Halloween für Anfänger und Fortgeschrittene
Es ist wieder so weit: der Herbst ist da und Halloween steht vor der Tür. Die Nacht der lebenden Toten mausert sich langsam aber sicher zu meinem liebsten Feiertag. Gerne belehren mich andere zu diesem Thema mit unaufgeforderten Kommentaren wie „Kommerzfeiertag“ und „amerikanischer Mist“. Weit gefehlt, liebe Feinde der herbstlichen Horrorshow! Natürlich spielt Kommerz und unser aller ständiger Begleiter Mammon hier eine Rolle. Verglichen mit den kilometerlangen Weihnachtsaufstellern, die mittlerweile schon Ende August in allen größeren Geschäften wie Pilze aus dem Boden schießen, sieht das bisschen orange-schwarzer Plastiktünniff in kürbisform aber recht blass aus. Grundsätzlich, glaube ich, ist jeder Feiertag in genau dem Maße kommerzialisiert, wie wir bereit sind, unsere sauer verdienten Taler in die Hallen des kaufbaren Glücks zu tragen. Wer es sich aber leisten kann und möchte, soll doch bitte ruhigen Gewissens seine Haustür mit Plastikskelett und künstlichen Spinnweben dekorieren. Über Geschmack lässt sich bekanntlich ohnehin nicht streiten.
Der Vorwurf, Halloween sei von Übersee nach Deutschland geschwappt, wo eine Menge Leute alles begierig aufsaugen, was Uncle Sam so über den großen Teich schickt, zeugt von Unwissenheit. Das ist grundsätzlich nicht schlimm, ich lerne jeden Tag Neues dazu. Hier also für alle, die einer Belehrung nicht abgeneigt sind, eine kleine Einführung in die Geschichte des All Hallows‘ Eve (Natürlich erhebe ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stütze mich auf allgemein zugängliche Quellen. Das Credo sollte also lauten: selbst ist der Bücherwurm!):
Halloween wird in der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November gefeiert, ist also der Abend vor Allerheiligen. Hieraus leitet sich auch der Name ab: die Bezeichnung All Hallows‘ Evening, der Abend vor Allerheiligen, wurde zusammengezogen zu Halloween. Das Fest wurde zunächst vor allem in Irland gefeiert. Von hierher brachten es Immigranten ab den 1830er Jahren mit in die neue Welt. Die klassische Rübenlaterne wurde vom in Amerika beheimateten Kürbis abgelöst. Er ist heute DAS Symbol für Halloween. Hierzu wird die Legende von Jack O’Lantern (zu deutsch: Jack mit der Laterne) in mehreren Varianten erzählt. Den Kern der Geschichte bildet Jack, ein mustergültiger Tunichtgut, der den Teufel überlistet und so erwirkt, dass der Höllenfürst sich seiner Seele nicht bemächtigen kann. Unglücklicherweise will man Jack nach seinem Tod aufgrund seiner Schandtaten auch nicht in den Himmel einlassen. Der Teufel schenkt ihm aus Mitleid ein Stück glühende Kohle aus dem Höllenfeuer, das Jack in eine ausgehöhlte Rübe steckt. Verdammt dazu, auf immer und ewig zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten umherzustreifen, ist die leuchtende Rübe sein einziger Trost und Gefährte. Die Kürbislaternen erinnern an Jacks trauriges Schicksal und gemahnen uns, nicht den Versuch zu unternehmen, höhere Mächte auszutricksen. Der Betrüger betrügt sich am Ende immer selbst.
Es wird vermutet, dass die Ursprünge von Halloween weit zurückliegen. Eine mögliche Verbindung zum keltischen Samhain wird diskutiert, von vielen Autoren aber als konstruiert verworfen. Völlig ohne Basis sind solche Vermutungen aber nicht. Keine heute praktizierte Religion trat plötzlich zum Vorschein. Vorher bestehende Glaubensrichtungen wurden interpretiert, Geschichte und Legenden anders erzählt oder neu gedeutet. Grundsätzlich befassen sich Glaubensgemeinschaften seit je her mit den gleichen großen Fragen der Menschheit: woher kommen wir und wohin gehen wir. Ähnlichkeiten zwischen Religionen sind also nicht zufällig. Alte Praxen im Zuge der Verbreitung der eigenen Religion sind einerseits, bestehende Gottheiten und Bräuche zu dämonisieren, andererseits beliebte Kulte und Festtage zu interpretieren und in die eigene Religion zu integrieren. Ein Beispiel dafür ist das christliche Weihnachtsfest. Tatsächlich ist der Tag von Jesu‘ Geburt keinesfalls bekannt. Es handelt sich um ein festgelegtes Datum. Das dieses Fest der Geburt und Hoffnung ausgerechtet in die Zeit der Wintersonnenwende, also der längsten Nacht und der danach folgenden Freude auf den neuen Frühling – auf Licht, Wärme und Leben – fällt, ist wohl kaum Zufall. Welche Beziehungen zu älteren Kulten bestehen, ist im Allgemeinen schwer zu sagen und auch von Experten kaum zu beweisen. Sicher ist aber, dass zum Beispiel das Motiv der Jungfrauengeburt schon lange vor Maria und Joseph auftauchte. Diese Aussagen sollen nicht diskreditieren oder abwerten. Sie machen aber deutlich, dass sich die modernen Religionen (sofern sie für und mit Menschen wirken) viel näher stehen, als so mancher denken mag. Halloween kann also auch als Erinnerung an altes Brauchtum gesehen werden, welches den Menschen der 1830er Jahre immerhin so wichtig war, dass sie dieses Fest als Erinnerung an die Heimat mit in ihr neues Leben nach Amerika nahmen.
Aber zurück zu den möglichen Ursprüngen von Halloween. Zum keltischen Samhain kam der Gott des Todes auf die Welt, um die Seelen der Verstorbenen einzusammeln, so heißt es. Um unter den Toten nicht aufzufallen, versteckte man sich hinter möglichst schaurigen Masken. Hieraus, so nehmen Quellen an, entstand der Brauch, sich an Halloween in ein gruseliges Kostüm zu hüllen. Der Kürbis- oder auch Rübenlaterne sagt man einen ähnlichen Zweck nach. Sie sollte die Geister lieber Verstorbener in dieser Nacht zu ihren Hinterbliebenen führen, böse Geister dagegen fernhalten.
Okkultes an allen Ecken und Enden. Große Religionsgemeinschaften nutzen den immer größer werdenden Kürbisfratzenboom gern für besorgte Aufrufe gegen Okkultismus. Von harten Vorwürfen bleiben auch sehr beliebte Zauberschüler nicht verschont, die nun wirklich das Ideal eines menschenliebenden Helden verkörpern. In der Wirklichkeit umgibt uns Aberglaube auch heute noch jeden Tag. Diese meist völlig harmlosen Ideen und Praktiken sind für viele von uns das Salz in der Suppe. Können sie außer Kontrolle geraten? Sicher! Das kann jede Form von Glauben, der nicht genügend gesunder Menschenverstand und Mitgefühl zugrunde liegt. Also, liebe Anhänger großer Religionsgemeinschaften: ihr möchtet hinsichtlich eures Glaubens respektiert und akzeptiert werden. Gesteht das auch anderen zu! Tarot, Gläserrücken, Kaffeesatzlesen – das alles können Methoden sein, um mit dem eigenen Unterbewusstsein zu kommunizieren, über wichtige Fragen nachzudenken oder sich einem Problem aus einer anderen Perspektive zu nähern. Oder es ist einfach nur ein großer Spaß. Auch hier ist das Maß aller Dinge: gesunder Menschenverstand und Empathie.
Glaube und Religion unterliegen dem Zeitgeist. In einer technisierten und wissenschaftlich aufgeklärten Welt, die trotzdem voller Probleme ist, wünscht sich manch einer eben noch ein paar süße oder saure Geheimnisse. In diesem Sinne:
„Süßes sonst gibt’s Saures und
Happy Halloween!“

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Freitag, 26. August 2011
Der Höllenschlund
Manch einer wird sie irgendwann einmal gehört haben – die Geschichte vom Höllenschlund. Angeblich gibt es jeweils einen in Kalifornien und Cleveland. Die Erfahrungen der letzten Wochen haben mich zu der Überzeugung geführt, dass es noch eine ganze Menge mehr gibt und zwar unter jedem einzelnen Arbeitsamt dieses Landes! Aber der Reihe nach.
Wenn man als junger Abiturient beschließt zu studieren, dann wird das in aller Regel mit einem angemessenen Maß an Begeisterung aufgenommen. In Anbetracht der kürzlichen Entwicklungen um horrende Studiengebühren fällt selbige momentan wohl etwas kleiner aus. Als Student arbeitet man sich dann mal schneller mal langsamer durch verschiedene Themengebiete und schöpft Kraft aus dem guten Gefühl, etwas wirklich Nützliches für die eigene Zukunft zu tun. Die Ernüchterung folgt dem Abschluss wie der Juckreiz dem Fußpilz. Ist man erst mal in der echten Welt angekommen, wird einem schnell die Begrenztheit der eigenen Möglichkeiten vor Augen geführt.
Als pflichtbewusster Bürger wendet man sich an die Agentur für Arbeit. Dort wird einem ohne große Umstände erklärt, man habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I, man hat ja schließlich nicht gearbeitet. Natürlich hat man das doch. Kaum ein Student kann sich über Wasser halten, ohne nicht wenigstens den einen oder anderen Aushilfsjob. Studieren selbst scheint in diesem Land nicht unter die Bezeichnung Arbeit zu fallen. Aus Sicht des Gesetzgebers hätte man genauso gut gar nichts machen können. Aber sei‘s drum – irgendjemand hat sich wohl was dabei gedacht.
Man wird also, ausgerüstet mit einem enormen Antrag, den man ausfüllen und dann zur Ablehnung abgeben muss, an das Grundsicherungsamt weiterverwiesen. Dort angekommen muss man warten. Gut, das musste man auf dem Arbeitsamt auch. Spätestens aber, wenn Godot vorbeikommt um nach der Uhrzeit zu fragen, ist der eigene Geduldsfaden schmerzhaft auf Spannung gebracht. Schließlich darf man dann doch in die heiligen Hallen der Sachbearbeitung eintreten und bekommt – wer hätte das gedacht – einen noch dickeren Antrag. Der Inhalt des selbigen ist allerdings schnell beschrieben: Hände hoch und Hosen runter! Alle! Wer sagte noch gleich „Haste nix, biste nix“? Man, der lag vollkommen falsch! Vielleicht ist ja noch was bei meinem kleinen Bruder zu holen. Da wir mit dem Rest der Familie eine Bedarfsgemeinschaft bilden, fast man auch ihm in die Taschen. Nicht, dass da viel drin wäre. Um Statistiken über das Sexualverhalten deutscher Erwachsener aufzustellen, muss man sich nur an das Grundsicherungsamt wenden. Dort weiß man Bescheid.
An diesem Punkt steckt ein einigermaßen selbstständig denkender Mensch schon in einer persönlichen Krise. Soll ich mir das wirklich gefallen lassen? Eigentlich wollte ich nur ein wenig Unterstützung während der Zeit der Arbeitssuche. In den letzten Wochen war ich aber häufiger damit beschäftigt, von Dementoren besetzte Amtsstuben zu besuchen und mir Beamtenchinesisch anzueignen, als im Internet auf Jobsuche. Muss ich mich wirklich auslachen lassen, wenn ich die Hoffnung äußere, bald einen Job zu finden? Soll ich mir nicht einfach erst mal einen Job auf 400 € - Basis suchen, um über die Runden zu kommen bis sich was Lukrativeres ergibt? Eigentlich wollte ich nach der entbehrungsreichen Zeit des Studiums aber endlich durchstarten.
In solchen Gedanken versunken macht man sich auf, um den Termin beim Jobvermittler wahrzunehmen. Das ist in kürzester Zeit der dritte Besuch auf dem Arbeitsamt. Um den Antrag auf Arbeitslosengeld I abzugeben musste man ja auch persönlich antanzen. Mit stapelweise Akten beladen, um auch ja jeden Schritt im Leben nachweisen zu können, bringt man einen Antrag ins Amtszimmer, von dem vom ersten Augenblick an feststand, dass er abgelehnt wird. Ich mag mich irren, aber das geht sicher auch einfacher. Aber zurück zum Arbeitsvermittler. Trotz einschlägiger Erfahrungen im Familien- und Freundeskreis gibt man sich doch der vagen Hoffnung hin, mit diesem Menschen ein ergiebiges Gespräch über die eigenen Möglichkeiten zu führen . . . Hoffnung ist sowas Schönes!
Der Vermittler beginnt das Gespräch mit einer Tirade über die Dauer meines Studiums und fragt ganz unverblümt, wovon ich denn gelebt hätte. Ich hab nicht übel Lust ihn auf die enormen Gewinnspannen im Drogengeschäft hinzuweisen, aber man will es sich ja nicht gleich in den ersten fünf Minuten verscherzen. Er sieht das offenbar nicht so und bohrt mutig weiter in anderer Leute Wunden. Der Hinweis, ich würde mich nicht so sehr an meinem Studium festbeißen, sondern auch in anderen Felder arbeiten wird komplett ignoriert. Nach dem sich das Thema jobboerse.arbeitsagentur.de als Minenfeld herausgestellt hat, kommt es schließlich zum Gau: ich äußere mein Vorhaben, in der Region zu bleiben. Der Versuch, auf einem katholischen Kirchentag Schokojesus am Kreuz zu verkaufen hätte keine heftigere Reaktion zu Folge. Sofort werden mir meine rechtlichen Verpflichtungen aufgezählt. Der Versuch, mich rund wie einen Buslenker zu machen, zeigt Wirkung bei mir. War ich zu Anfang des Gesprächs noch angefressen über die unverhohlene Anklage bei der Feststellung meiner Semesterzahl, hat sich jetzt eine Mischung aus Empörung, Wut und Hilflosigkeit breitgemacht. Der Mensch hinter dem Schreibtisch scheint sich so sicher zu sein, am längeren Hebel zu sitzen. Ich mache meinem Unmut Luft. Schließlich soll man ja Selbstbewusstsein und Durchsetzungskraft demonstrieren. -Die Welt ist voller Heuchler!- Ihm liegt wohl nicht so viel an diesen Eigenschaften. „Warum sind Sie denn so aggressiv?“ Ich und aggressiv! Mich kann man nicht so schnell auf die Palme bringen. Aber irgendwo ist doch auch mal Schluss! Darf denn so ein Amtsmensch alles? Die Situation brodelt und ich versuche zu entschärfen. Aber es ist schon zu spät. Herr Vermittler gehört offenbar zum Freundeskreis soziopathisch veranlagter Menschen. Alles, was ich jetzt noch sage, ist falsch. Er drückt mich verbal an die Wand und gibt mir keine Möglichkeit, mich durch Berufung auf meine Persönlichkeitsrechte daraus zu befreien. Unelegant und so gar nicht Gentleman! So stelle ich es mir beim Militär vor. Ich fühle mich beinah genötigt, die mir vorgelegte Vereinbarung zu unterschreiben. „Sie bewerben sich bei allen Stellen, die für Sie in Frage kommen!“ Der Bestrafungskatalog bei Zuwiderhandlung wird gleich angeheftet.
Das, was der Herr dann einen Tag später mit der Post schickt, sind Stellen, die ich längst selbst im Netz gefunden habe. Was macht er also? Einfach: er gibt den Namen meines Studienfaches samt Abschluss ein und schickt mir die Ergebnisse. Verblüfft bin ich von dem Briefkopf, in dem etwas von Vermittlungsvorschlag steht. Vorschläge habe ich vom Arbeitsamt überhaupt noch nicht gehört. Bis dato ging es doch immer nur um meine Pflichten. Eine Beratung hat nicht stattgefunden. Ich wurde nur gefragt, was ich schon auf zahlreichen freien Jobplattformen eingegeben habe. Übrigens ist der Filter dort in den meisten Fällen um Längen besser als der beim Amt. Hier kann man suchen, was man selbst auch möchte und bekommt bequem per E-Mail Bescheid.
Ich jedenfalls habe die Nase gestrichen voll! Hilfe vom Staat anzunehmen kann keine sklavische Ergebenheit als Preis haben. Klar, wer sich an eine Region binden will, der muss auch mit Jobs vorlieb nehmen, die die eigenen Erwartung vielleicht nicht erfüllen. Aber habe ich nicht das Recht, mein Leben selbst zu gestalten und nach persönlichem Glück zu streben? Darf mir ein Amt ein Leben aufdiktieren, dass ich so nicht will? Darf ein Beamter mit mir umspringen wie er möchte, mich sogar beleidigen? Ich für meinen Teil bin fertig mit diesem Verein. Ich war gewarnt worden und bin trotzdem entsetzt. Des Deutschen Tugenden sind Fleiß und Genauigkeit – Empathie und Respekt scheinen nicht dazu zu gehören!

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